Wie kommt Maria eigentlich zum Titel Gottesmutter? Haben wir hier mit Vater, Mutter und Sohn eine Götterfamilie? Weshalb kann dann das Christentum zu den drei großen monotheistischen Weltreligionen zählen? Der Titel geht zurück in das vierte und fünfte Jahrhundert. Der Auslöser war die damalige große Streitfrage wie die Göttlichkeit Jesu zu verstehen ist. Als Abgrenzungen gegenüber den auftretenden Irrlehren und Fehlinterpretationen wurde festgelegt, dass Jesus nicht Teil der Schöpfung, sondern wesensgleich mit dem Vater ist, also nicht weniger. Aber ewiger Sohn und Mensch zugleich?
Einigungschristologie mit Maria als Gottesgebärerin als logische Konsequenz oder Trennungstheologie mit Maria als Christusgebärerin? Mit einer alternativen Formel beendet das Konzil von Chalcedon 451 die Diskussionen und Maria erhält daraus den Titel Gottesmutter. Die altorientalischen Kirchen stimmten nicht zu und spalteten sich ab. Im Westen dagegen wird seither Maria als Gottesmutter verehrt. Ich frage mich oft, was Maria zu diesem Titel sagen würde. Auch unter der Tatsache, dass sie Jüdin war und zu jenem Gott betete, den auch ihr Sohn verehrte und letztendlich wir es heute noch tun.
Die Darstellung der Zusammenhänge zwischen dem charakteristischen Christusbild der einzelnen Evangelien und der jeweiligen Charakterisierung Marias erleichtern das Marienverständnis. Diese Parallelität lässt sich meines Erachtens auch in der heutigen Zeit mit einem stärker werdenden Blick auf die „Erdentochter“ und den „Menschen Jesus“ erkennen. Gerade jene beiden Titel „Himmelsfrau“ und „Erdentochter“ mit denen ich zu Beginn kaum etwas anfangen konnte, hinterließen bei mir – durch das Bild der Begegnung von Himmel und Erde – sowohl im „Herzen“ als auch im „Kopf“ einen großen Eindruck. Martin Buber schrieb übrigens in seinen Erzählungen von der mystisch-jüdische Bewegung der Chassiden auch von einem Rabbi Mendel, der darauf achtete, dass die Chassidim beim Beten kein Halstuch trugen. Zwischen Hirn und Herz soll keine Unterbrechung sein. Ob das auch für Krawatten zutraf?
Und wie äußerte sich zu das 2. Vat. Konzil über Maria? Maria wird auf die Ebene der Menschen „herunter“ geholt. Sie bleibt Glied der Kirche und ist Jesus Christus (als erste und vollkommenste Schülerin Christi) untergeordnet. Sie bewahrt dabei jedoch eine Vorrangstellung als „überragendes und einzigartiges Glied der Kirche“ und als vollendetes Vorbild für ein Leben nach dem Evangelium, als Schwester im Glauben, als geglücktes Konzept Gottes.
Verehrenswürdig ist Maria, auch in Mariazell, nicht primär deshalb, weil sie die Mutter Jesu ist, sondern weil sie beispielhafte Hörerin und Täterin des Wortes Gottes ist. Sie ist Urbild des Hörens und Tuns des Wortes Gottes, eigenständig, stark, prophetisch, Symbol für befreites Leben.