2015-05. 4| MARIENVEREHRUNG

Wie kommt Maria eigentlich zum Titel Gottesmutter? Haben wir hier mit Vater, Mutter und Sohn eine Götterfamilie? Weshalb kann dann das Christentum zu den drei großen monotheistischen Weltreligionen zählen? Der Titel geht zurück in das vierte und fünfte Jahrhundert. Der Auslöser war die damalige große Streitfrage wie die Göttlichkeit Jesu zu verstehen ist. Als Abgrenzungen gegenüber den auftretenden Irrlehren und Fehlinterpretationen wurde festgelegt, dass Jesus nicht Teil der Schöpfung, sondern wesensgleich mit dem Vater ist, also nicht weniger. Aber ewiger Sohn und Mensch zugleich?
Einigungschristologie mit Maria als Gottesgebärerin als logische Konsequenz oder Trennungstheologie mit Maria als Christusgebärerin? Mit einer alternativen Formel beendet das Konzil von Chalcedon 451 die Diskussionen und Maria erhält daraus den Titel Gottesmutter. Die altorientalischen Kirchen stimmten nicht zu und spalteten sich ab. Im Westen dagegen wird seither Maria als Gottesmutter verehrt. Ich frage mich oft, was Maria zu diesem Titel sagen würde. Auch unter der Tatsache, dass sie Jüdin war und zu jenem Gott betete, den auch ihr Sohn verehrte und letztendlich wir es heute noch tun.
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2015-05. 3| MARIENVEREHRUNG

Es gilt aber ebenso zu vermitteln, dass „die Erdentochter auch Himmelsfrau ist und eine innere Verbundenheit mit ihr  dieses Leben in ein neues Licht stellt. Maria ist die ganz Nahe und dennoch unsagbar Andere. Als solche berührt sie das Herz des Menschen und lässt ihn an ihrer Seite ganz werden“.

Nach dem Buch Genesis 1-2 ist jeder Mensch ein Königskind Gottes und zutiefst zu einem Einssein mit ihm bestimmt. Jeder Mensch ist demnach auch ein „Ort Gottes“ in der Welt. Diese Einheit, dieses göttliche Konzept der Menschheit bricht im Garten Eden auseinander. In Maria wird dieses Einssein mit Gott wieder sichtbar. In ihr ist die Grundaussage des Menschen, das Handeln Gottes auf Erden, das einander Berühren von Himmel und Erde wieder spürbar. „Maria verkörpert nicht nur dieses geglückte Einssein, sondern erweckt vor allem auch die Sehnsucht danach“. In der nachbiblischen Marienverehrung der Jahrhunderte ist das Bild der Begegnung von Himmel und Erde immer wieder erkennbar. Durch Veränderungen im gesellschaftlichen Umfeld und in den theologischen Reflexionen wird dabei entweder die Erdentochter oder die Himmelsfrau in den Vordergrund gestellt.

So erhält etwa im Mittelalter, im Zusammenhang mit der scholastischen Theologie, die kaum mehr die Lebenswelt der Menschen erreicht, die Marienverehrung eine außerordentliche Rolle. Christus ist unerreichbar. Maria springt hier ein und steht den Menschen ganz konkret bei: „Maria hilft“. Gefördert wurde die Marienverehrung auch dadurch, dass das einfache Volk nach dieser Art der Frömmigkeit leben und sich ausdrücken konnte. Die lateinische Bibel und die Liturgie waren einem Großteil des Kirchenvolkes nicht verständlich. Aus dieser Zeit stammt beispielsweise auch das Wort Hokuspokus, das sich aus den unverständlichen Worten des Priesters bei der Wandlung ableitete: „Hoc est enim corpus meus.“ Die Marienverehrung dagegen hatte ihren „Sitz im Leben“.

2015-03. 2| MARIENVEREHRUNG

Die früher selbstverständliche Zugehörigkeit zur Kirche mit ihren Institutionen und Einrichtungen wird immer mehr, wenn überhaupt noch, in Frage gestellt. Ein vielfältiges Angebot an Alternativen verspricht den Menschen Glück und Heil. Sinnsuche und Sehnsucht mit all ihren Fragen bleiben meist dennoch. Auch die heute nur mehr schwer nachvollziehbare mittelalterliche Marienverehrung verlor im Zuge der Reformation und der Aufklärung immer mehr an Bedeutung. Die beiden eher umstrittenen Dogmen brachten keine nachhaltige Verbesserung. Die traditionelle Marienverehrung bietet den Menschen kaum mehr Antworten auf die Fragen der Zeit. Erst nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil mit der Rückbesinnung auf die biblische Maria und den Aufbrüchen der feministischen Theologie und der Befreiungstheologie kehrt Maria wieder zurück.

Christiane M. Koch möchte mit ihrem Buch vermitteln, „dass Maria, die Erdentochter, das Leben kennt und ihr nichts Menschliches fremd ist“. Im Lukasevangeliums findet sich dazu eine verstörende Stelle: Der prophetische Simeon spricht im Tempel zu Maria und Josef vom Stein des Anstoßes, der ihr Kind werden wird, und vom Zeichen, das es sein wird und dem widersprochen wird. Maria aber selbst wird ein Schwert durch die Seele dringen. Damit wird die Schicksalsgemeinschaft angesprochen, die zwischen Maria und Jesus besteht. So wie Jesus wird auch sie von Leid und vom Tod ihres Sohnes betroffen sein.

Trotz ihrer eigenen Probleme nimmt Maria Anteil am Leid der Menschen, die mit ihr verbunden sind. Sie ist weltoffen, nimmt ihr Leben in die Hand und gestaltet es voll Gottvertrauen. Sie ist mit pfingstlicher Begeisterung erfüllt, die auch Schweres im Leben in neuem Licht sehen lässt.

Maria akzeptiert das zunächst sinnlos Erscheinende, Unverständliche. Sie vertraut in großer Gelassenheit und „sie bewahrte alles in ihrem Herzen“. Für Maria sind also nicht nur ihre Erkenntnisse, sondern auch ihre offenen Fragen, ihre Rätseln als kostbares Gut in ihrem Herzen bewahrt.

Maria, die im Magnifikat den „heiligen Umsturz“ besingt, gibt als Vorreiterin Mut und Kraft, gegen verkrustete Strukturen in Kirche und Gesellschaft einzutreten. Sie zeigt die eigenen Trugbilder selbst aufzudecken und weckt die Sehnsucht nach wahrer Identität.

2015-03. 1| MARIENVEREHRUNG

Ich muss gestehen, ich hatte ein vorkonzilliares Marienverständnis. Mariologische Themen, wie z.B. die Unbefleckte Empfängnis, die Im­merwährende Jungfrau oder die Gottesgebärerin? Zu vielen Antworten hatte ich davor nicht einmal die Fragen gestellt. Mein Zugang (als Techniker) war zudem eher nüchtern und pragmatisch.

Das war dann auch der Grund, weshalb ich jetzt als Abschlussarbeit das Buch von Christiane M. Koch mit dem Thema „Maria. Erdentochter, Him­melsfrau“ wählte. Ich konnte mit dem Titel nichts anfangen, wollte mich gerade deshalb mit dieser Lektüre und dem darin vorgestellten spirituellen Weg auseinandersetzen. Das Buch hält allerdings ganz und gar nicht, was ‚mir‘ der Titel versprach. Ich erwartete ein Buch mit traditionellem mariologischen Inhalt, mit einem „verklärten“ Marienbild, mit einer Maria, die uns in unserem „Jammertal“ hilft. Nach mehrmaligem Lesen muss ich allerdings eingestehen, dass das Buch etwas zu bewirken vermag, mit dem ich nicht rechnete: „Es eröffnet einen neuen Zugang zu Maria und ihrer Bedeutung für die Menschen unserer Zeit“. Solch einen neuen Zugang bietet auch Univ.-Prof. Dr. Gisbert Greshake in einem Podcast auf der Medienseite der Theologischen Kurse.

In der Basilika von Mariazell verweist Maria, dieser irdische „Fingerzeig Gottes“, in der Statue mit dem Finger auf ihren Sohn. Das Zweite Vatikanische Konzil sagt dazu: „Echte Marienverehrung ist hingeordnet auf Christus, dessen Mutter sie war und ist, und bezogen auf die Kirche, deren Urbild und Anfang sie war und ist.“ Ich habe mein Marienbild neu ausgerichtet und sehe aus dieser Sicht auch die Wallfahrtsstadt Mariazell in einer zukünftigen neuen Bedeutung mit einer neuen Botschaft.

2015-03. MARIAZELL

Geschafft, ich konnte jetzt endlich den Theologischen Kurs (sehr empfehlenswert!) abschließen. Einen Fernlehrgang, angelehnt an die Fächer eines universitären Theologiestudiums mit Studienwochenenden und Prüfungen. Durch die zeitbedingte Wiederholung wurden es zwar zwölf statt der sechs Semester, dafür hörte ich den ganzen Stoff zweimal. Auch jenen über ein zeitgemäßes Bild der biblischen Maria. Da vernimmst du die vielen Facetten der Marienverehrung und denkst dir: Wir leben in einem der bekanntesten Marienwallfahrtsorte. Der Großteil von uns lebt direkt oder indirekt von der Wallfahrt oder profitiert zumindest von der Marke „Mariazell“ und du fragst dich dann, was wissen wir eigentlich über diese Frau in der Basilika – außer der Geschichte vom Mönch Magnus? Ziemlich paradox. Für meine Abschlussarbeit wählte ich deshalb bewusst einen dementsprechenden Inhalt:

Mariazell, Magna Mater Austriae, Österreichisches Nationalheiligtum, Mitglied der Shrines of Europe – der sechs bedeutendsten Marienwallfahrtsorte Europas. Das Wallfahrtswesen ist mir von klein auf vertraut. Es bildete für meine Familie fast ein Jahrhundert lang die wesentliche wirtschaftliche Grundlage. An unserem Haus befindet sich ein häufig fotografiertes Mosaik mit einer Mariendarstellung. Im Eingangsbereich in einer Mauernische eine Lourdes-Madonna. Maria also überall, nur ich sah sie nicht. Auch in der Basilika fest-bekleidet, ist nur ihr gekröntes Haupt sichtbar. Einzüge, Auszüge, Umzüge – ich sehe noch immer oft zu, war selbst auch dabei. Nur Maria sah ich nicht. Ich sehe aber die tiefe Ergriffenheit unzähliger Pilger und Pilgerinnen, höre die oft inbrünstigen Gesänge, die einen nicht unbe­rührt lassen können. Ist das jene Volksfrömmigkeit, deren Auslaufen prophezeit/gewünscht wird? Wird Mariazell zum religiösen Bad Ischl, als Erinnerung sowohl an die Verbundenheit mit dem Haus Habsburg, als damit auch an die Bedeutung Marias speziell zur Abgrenzung gegenüber dem Protestantismus? Liegen die Epizentren des Christentums längst nicht mehr in Mariazell, Medjugorje oder Assisi, sondern in der Dritten Welt? Wird die jahrhundertealte Augenauswischerei mit der hehren Stellung der Mutter Gottes nicht mehr viel länger glaubwürdig sein? (beides: Janko Ferk, in „Die Presse“, 2013).