2015-06. 7| HILDA R.

Über ein Jahr war sie im Haus der Barmherzigkeit. Kaum vorstellbar. Lange Zeit noch wollte sie wieder in die Wohnung zurück. Sie verweigerte mir gegenüber daher auch den Heimvertrag zu unterschreiben. Ohne Heimvertrag war aber der weitere Aufenthalt im Pflegeheim nicht möglich. Und das wusste sie. Diese Herausforderung schaffte die Sozialarbeiterin des Hauses. Ruhig, unaufgeregt, mit Händehalten und Streicheln übermittelte sie glaubwürdig die einzelnen Punkte des Vertrages. Wesentlich war, dass diese von Hilda auch großteils verstanden und aufgenommen wurden. Das „Na gut, dann unterschreib ich halt“ kam für uns beide dennoch überraschend. Irritiert hatten mich bei diesem Gespräch, und auch schon zuvor bei der Heimhilfe, das Händehalten und diese Streicheleinheitn. Das ist doch eine persönliche, eine zärtliche Geste und die Sozialarbeiterin kannte Hilda eigentlich nicht. Ich habe noch lange gebraucht um auch das Fürsorgliche in diesem Zeichen zu erkennen und Hildas Hand halten zu können.

Der für Hilda wesentliche Punkt des Heimvertrages war die Möglichkeit, wieder raus kommen zu können. Die Probeentlassung, die ihr zunächst die Rückkehr in die Wohnung für eine kurze Zeit ermöglichte, zeigte aber, dass eine Betreuung zuhause nicht mehr funktionierte. Hilda kam wieder ins Heim, die Wohnung behielt sie dennoch als Sicherheit, und Ich konnte es nachvollziehen. Schwieriger wurde es allerdings mit dem Geld. Beides, Pflegeheim und Wohnung, ging sich nicht aus. Es war leicht auszurechnen, wann durch die monatlichen Mieten der Kontoüberziehungsrahmen ausgeschöpft ist. Die Folge wäre eine Zwangsräumung gewesen. Ich beantragte daher – auch auf Anraten des Pflegeheimes – meine Bestellung als Sachwalter. Diese wurde erteilt und ich konnte somit die Wohnung kündigen. Die Zustimmung von Hilda kam überraschend, berührend, ich begriff sie erst Stunden später.

Die Räumung der Wohnung stellte dann wieder ein eigenes Kapitel dar. Ein Volltreffer war dabei die Geschichte mit dem Gewehr. Wir fanden es im Kellerabteil und brachten es unmittelbar in das nächste Wachzimmer. Dort war man etwas irritiert und schickte uns zur Hauptdienststelle. Ich (!) lief darauf mit dem Gewehr in der Hand durch halb Ottakring zu dieser Adresse. Auch dort gewann ich den Eindruck, dass dies nicht eine alltägliche Situation darstellte. Nach einer Stunde mit vielen Fragen, Beratungen im Hintergrund und der Zerlegung des Gewehrs erhielt ich es wieder zurück. Dabei wollte ich es doch schnellstens loswerden. Ging nicht, dieses Gewehr kann jeder ab 18 ohne Waffenschein besitzen. So blieb eine, diesmal jedoch von einem Beamten gut verpackte Waffe als Erinnerung an Hilda zurück.