1979 SCHNAPSIDEE

Da der Club außer einem Kassier keine Organisationsstruktur aufweist, bleiben diese Dinge bei mir hängen und es beginnt eine Zeit, die mein Leben nachhaltig verändern wird. Zentral ist dabei eine Vision, die ich nicht aus dem Kopf bekomme: Ich will einmal mein Wissen aus der Arbeit mit gefährdeten Jugendlichen einbringen, einen Bauernhof kaufen und darauf eine Therapiestation errichten. Vision jetzt nicht als etwas Übernatürliches, sondern wie es der Priester Christian Hennecke ausdrückt: „Eine Vision ist keine Fantasie. Vielmehr ist sie eine Entdeckung, die sich durch Erfahrung zu sehen gibt: Neue Erfahrungen sind wie Puzzleteile, die sich nach und nach zu einem neuen Bild zusammenfügen und bestimmte Handlungsoptionen nahelegen.“

Bei meinem Einkommen klingt das eher wie eine Schnapsidee. Ein kleiner SPAR-Lebensmittelladen, immerhin der erste in der Region mit Selbstbedienung, trotzdem kaum größer als ein Wohnzimmer sowie einige Gästezimmer – genug zum Leben, aber weit davon entfernt, einen Bauernhof zu erwerben und diese Einrichtung danach auch betreiben zu können. Also doch eine Schnappsidee? Zwei Möglichkeiten einer Realisierung kommen mir in den Kopf – ein Lottogewinn oder eine Erfindung. Der Lottogewinn ist illusorisch, also bleibt die Erfindung. Zunächst ein Versuch mit einem expanderartigen Spielzeug mit Musik, dann ein lenkbarer Kinderwagen und eine Absaugvorrichtung für Bohrstaub. Dinge, die 20 Jahre später Standard sind und entsprechend verkauft werden. Nur nicht von mir. Ich habe noch kaum eine Ahnung von der Verwertung einer Erfindung, lasse mich schon vom ersten negativen Prüfbericht des Patentamtes abschrecken und komme nicht einmal in das Stadium eines Start-ups. Zumindest werde ich später die Bestätigung erhalten, dass die Ideen attraktiv waren. Unvergesslich bleiben vor allem die Crash-Tests mit dem Kinderwagen, der mit einem, in Decke und Polster gehüllten Sack Zucker beladen wird. Meist bin ich damit abseits der Wege unterwegs, quer über die Wiesen, die Hänge rauf und runter. Und dann die fragenden Blicke der Leute, oder die Fragen selbst: „Na, wie alt ist es denn?“. „Wie, ein Sack Zucker?“